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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 10 (Juliheft 1927)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0299
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lich war, ist ein Betveis für eine starke
Bernhigung. Die MAtel, die die Künst-
ler anwenden, sind sehr verschieden, —
ist daS ein Fehler? H. Ludwig Fischers
Technik mahnt an Thoma und Stein-
hausen, aber er hat doch ein starkes,
feines Frauenbildnis geschassen, das nur
noch ein bißchen schwer in der Farbe
wirkt. Reizende, leicht und dustig gemalte
Porträts sandte Gertrud Meinhold, auch
de Haer und Heinz Rose verstehen wie-
der, einen Menschen hinzustellen. Un-
ter den Stillebenmalern ist die Auswahl
der guten Arbeiten noch wesentlich grö-
ßer. Domscheit, Beindorf, Otto-Koch,
Bartning, Elisabeth Kühn und in nn-
verminderter Frische der greise George
Mosson. Der erschreckende Niedergang
des Malhandwerks kann natürlich nicht
in ein paar Jahren wieder ausgeholt
werden, aber, trotzdem wir nur ein paar
Namen hier nennen konnten, bei man-
chcm wird der Leser erfreut aushorchen,
daß er wieder klingt. Freilich gibt es
auch solche, die mit allem Talent der
Derwilderung hossnungslos versallen
scheinen. Bei den Ernsthasten beginnt
ein Kamps um die Bildsläche. Jm Grunde
ist die Beherrschung dieses Elements eine
Grundbedingung aller Malerei, nnd es ist
zu verwundern, daß nach der strengen
und heilsamen Zucht, die die ertremen
Richtungen gerade in dieser Beziehung
ausübten, sosort mit dem Eindringen
naturnachahmender Tendenzen das alte
Übel, sogar verstärkt, wieder erscheint.
Mit ihm haben die Leo Michelson und
Otto Marquardsen ernsthast zu kämp-
sen. Reizende kleine märchenhaste Bil-
der brachte Erik Richter und — merk-
würdig, wie diese kleinen Altdorserstim-
mungen, die doch so ganz srei und selb-
ständig gemacht sind, das Püblikmn so-
sort einsangen! Sie gehören zu den
guten Geistern der Ausstellung, ebenso
wie des Düsseldorfers Wilhelm Schmurr
zarte, glänzend gezeichnete Jdyllen, —
ein wahrer Gruß vom Niederrhein.

Ein paar Erscheinungen sordern mit Ge-
walt Beachtung: aus Weimar Fritz Feig-
ler, dem man mit Recht im ersten Saale
eine ganze Wand eingeräumt hat. Wenn
einer heut süns lebensgroße Figuren ne-
beneinander auf die Leinwand setzen kann,
so ist das eine Probe stärksten Talents.
Und zwar monumentalen Talents. Die
Beweise sür seine koloristische Begabung
bringt er daneben in einer gipsernen

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Haussront und einem Stilleben mäch-
tiger Holzstiibben, sür seine Charakterisie-
rungskunst das Porträt eines jüdischen
Schnorrers. Aber ist das etwa Znfall,
daß er sein Hauptbild „Zusallsmodelle"
nennt? Nein, hier ossenbart sich er-
schreckend ein großes Vakuum der Zeit.
Diese junge Generation hat Talent über-
genug, äber sie hat keinen Stoss, an
dem ihr Jnneres hängt. Staat, Stadt,
Mäzen, hier ist ohne Zweisel einer, der
gute Dinge machen kann! Man sehe
Heinrich Vogeler, der einst mit den ersten
nach Worpswede ging, von allen Ko-
lonisten dort damals der wohlerzogenste,
seinste, poetisch angehauchte — wie er
es jetzt wohl nennt, — Bourgeois. Er
hat sein Herz an Sowjetrnßland verloren
und malt nun kommunistlsch-propagan-
distische Plakate. Seine politische Ten-
denz geht uns hier nichts an, und künst-
lerisch ist es gewiß ein Mangel, daß dic
Bildsläche in lauter kleine Bruchstücke
ausgelöst und mit tendenziösen Texten
durchsetzt ist. Aber unter diesen Bruch-
stücken besinden sich solche, die an Ans-
druckskrast alle seine srüheren Arbeiten
weit übertrcssen —, weil sie von einem
inneren ssdeal belebt werden.

Ähnliche Gedankengänge haben wohl
Sandkuhl und die andern Leiter der
Jurysreien bewogen, eine Ansstellung re-
ligiöser Kunst zu veranlassen, die nun
die ganze Mitte des Hauses mit ihren
einzelnen Einbauten süllt. Sie haben,
waS heute doch sehr nntspricht, von den
Künstlern (und von den beteiligten Fir-
men!) Opser zu sordern gewagt, die
sicher nicht gering waren, nnr in der
Hossmmg, die Würdenträger der Be-
kenntnisse zu der Einsicht zu bekehren,
daß Kunst im Gotteshanse eigentlich ganz
nützlich und hübsch ist. Jst das zu schars
gesagt? Nein, denn das Erschreckende
ist, daß der Künstler mit seinem reli-
giösen Gesühl und der Gestalt, die er
ihm gibt, außerhalb der Kirche steht. Der
Kunstbedarf der protestantischen Kirchen
ist überhaupt gering, fehlt teilweise ganz;
die katholischen bleiben am liebsten bei
nazarenerartiger Nassaclerinnerung. Und
es ist daher kein Zusall, daß der weit-
aus glücklichste Raum der Veranstal-
tung die Synagoge von Harry Rosen-
thal ist, einfach und nobel, vor alleni
eben, weil er kein Bild und keine Skulp-
tur brauchte, wobei seinem Ranm- und
Materialgesühl alles Lob nicht vorent-
 
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